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Autorin: Lisa Bieker
Dieser Beitrag wurde im Rahmen eines studentischen Projekts an der Universität Potsdam geschrieben.

Vor einigen Wochen besuchte ich die Oberlin Werkstatt in Potsdam. Die Werkstatt bietet eine Vielzahl an Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit unterschiedlichen geistigen und körperlichen Behinderungen wie etwa Autismus, Hör- und Sehbehinderungen. Im Rahmen des Projekts „Fabricate Your Living Aid and Digital Transformation of Laboratories“ (FABULANDLABS) ermittelte der Wissenschaftsladen Potsdam in Kooperation mit der Universität Potsdam und der Oberlin Werkstatt einen Anwendungsfall zur Herstellung innovativer Hilfsmittel für Sehbeeinträchtigte. 

Ein Problem in der Werkstatt ist, dass Sehbehinderte nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit haben, sich eigenständig über den Speiseplan der dortigen Kantine zu informieren: Sie können es sich nur mündlich weitergeben lassen. Gemeinsam mit der Community des Wissenschaftsladen Potsdams erarbeitete ich einen Lösungsansatz dieses Dilemmas: den taktilen Speiseplan. 

Werktags gibt es in der Kantine zwei Mittagessensangebote sowie alternative Beilagen zum ersten Essensangebot. Eine Herausforderung bestand darin, die neue Speiseplankonstruktion modular und flexibel zu konstruieren und dabei das Bedürfnis einer günstigen und einfach zu erstellenden Lösung zu berücksichtigen. Einfachheit ist von Vorteil, weil die Speiseplan-Anleitung als Open Source Hardware für jede beliebige Kantine nachbaubar sein soll. Flexibilität ist geboten, weil sich einzelne Bestandteile der Gerichte in unterschiedlicher Zusammensetzung wiederholen können. 

Die Lösung ist ein Schiebesystem. Pro Wochentag sind eine U-förmige Platte als Rahmen und 12 Einschieber geplant, auf welchen die Gerichte geschrieben stehen. Die Beschriftung mit Brailleschrift erfolgt mit einem Brailledrucker auf transparenter Selbstklebefolie. Die Klebefolien sind sowohl einfach und schnell auswechselbar als auch schmutzabweisend und abwischbar. Damit auch das Küchenpersonal und Mitarbeiter ohne Sehbeeinträchtigung den Speiseplan lesen können, wird unter der Brailleschrift-Folie der Name des Gerichts in Druckbuchstaben aufgeklebt.  

Als Material habe ich den Kunststoff Polyethylen (PE) genutzt, da Plastik einfach zu reinigen, zu verarbeiten und günstig in der Anschaffung ist. Hygiene ist besonders im Lebensmittelkontext ein wesentlicher Faktor. Der Speiseplan besteht aus fünf U-förmigen PE-Platten sowie ca. 75 Einschiebern. Die Anzahl hängt von der Menge der Zutaten ab. Zur Herstellung der Speiseplanelemente verwendete ich die im Wissenschaftsladen Potsdam zur Verfügung stehende CNC-Fräse (CNC = Computerized Numerical Control). Die CNC-Maschinen sind durch den Einsatz moderner Steuerungstechnik höchst präzise und können die Einschieber passgenau und automatisiert ausfräsen. In dem CAD-Programm (CAD = computer-aided design) Fusion360 modellierte ich eine entsprechende Vorlage. Die ausgefrästen PE-Elemente bedurften einer Nachbearbeitung mit einem Cuttermesser, da das Plastik nach dem Fräsen keine glatte Oberfläche hatte. 

Nicht nur für die Mitarbeiter der Oberlin Werkstatt war das Projekt wichtig, auch ich konnte wertvolle Erfahrungen sammeln. In dem Projekt lernte ich die Synergieeffekte durch die Vernetzung von innovativen Ehrenamtlichen, Studierenden und Unternehmern in der Werkstatt zu nutzen. Zur Realisierung meines Projektes erlernte ich das Modellieren in den CAD-Programmen Tinkercad und Fusion360 sowie den Umgang mit dem 3D-Drucker und der CNC Fräse.

Nützliche Links

Blindenschrift-Übersetzer: https://www.cbm.de/aktiv-werden/interaktiv/blindenschrift-uebersetzer-411587.html

CAD-Programm Fusion360: www.autodesk.de/products/fusion-360/overview 

CAD-Programm Tinkercad: www.tinkercad.com 

Steckbrief des Projektes „Fabricate Your Living Aid and Digital Transformation of Laboratories” (FABULANDLABS): https://www.photonikforschung.de/media/open-innovation/pdf/FABULANDLABS_LightCares_Projektsteckbrief_bf_C1.pdf